Im Insolvenzverfahren können natürliche Personen als Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) stellen, um nach einer Wohlverhaltensperiode von 6 Jahren die Befreiung von bislang gegenüber den Insolvenzgläubigern nicht erfüllten Verbindlichkeiten zu erlangen (sog. Restschuldbefreiungen). Die Restschuldbefreiung kann bei Land- und Forstwirten, Gewerbetreibenden und Selbständigen zu steuerpflichtigen Gewinnen führen. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich auch im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens (§§ 217 ff. InsO) und der Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO).
Im sog. Verbraucherinsolvenzverfahren erhalten u. a. auch Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, die Möglichkeit der Restschuldbefreiung; Voraussetzung ist u. a., dass ihre Vermögensverhältnisse überschaubar sind, d. h. im Zeitpunkt des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind weniger als 20 Gläubiger vorhanden, und dass gegen sie keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen.
Im Rahmen des Planinsolvenzverfahrens besteht die Möglichkeit, die Vermögensverwertung und -verteilung abweichend von den gesetzlichen Vorschriften der InsO durch die Erstellung eines Insolvenzplanes zu regeln. Der Insolvenzplan soll den Beteiligten (Insolvenzgläubiger und Schuldner) die Möglichkeit geben, die Zerschlagung des Unternehmens zu vermeiden und stattdessen eine Sanierung oder Übertragung des Unternehmens zu beschließen.
Die Besteuerung der Gewinne aus der Durchführung einer der vorgenannten Insolvenzverfahren steht im Widerspruch zu den Zielen der Insolvenzordnung. Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt deshalb Folgendes:
1. Zeitpunkt der Gewinnentstehung bei Insolvenzverfahren
Der aufgrund einer erteilten Restschuldbefreiung entstandene Gewinn stellt kein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO dar und ist damit erst im Zeitpunkt der Erteilung der Restschuldbefreiung realisiert.
Gleiches gilt für Gewinne, die im Rahmen einer Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO) entstehen.
2. Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 222, 227 AO)
Das BMF-Schreiben zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen vom 27. März 2003 – IV C 6 – S 2140 – 8/03 – (BStBl I S. 240) ist auf Gewinne aus einer Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) und aus einer Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO) entsprechend anzuwenden.
Unter den im o. g. BMF-Schreiben beschriebenen Voraussetzungen ist auch die aufgrund einer Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) oder einer Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO) entstehende Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) zunächst unter Widerrufsvorbehalt ab Fälligkeit (AEAO zu § 240 Nummer 6 Buchstabe a) zu stunden.
Rn. 2 Satz 2 des o. g. BMF-Schreibens (keine Begünstigung einer unternehmerbezogenen Sanierung) ist in den Fällen der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) und der Verbraucherinsolvenz (§§ 304 ff. InsO) nicht anzuwenden.
3. Fälle des Planinsolvenzverfahrens (§§ 217 ff. InsO)
Die Fälle der Planinsolvenz (§§ 217 ff. InsO) fallen originär unter den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 (a. a. O.).
4. Anwendungsregelung
Dieses Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.
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