1 1Führt die Zerlegung nach den §§ 28 bis 31 zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, so ist nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. 2In dem Zerlegungsbescheid hat das Finanzamt darauf hinzuweisen, dass bei der Zerlegung Satz 1 angewendet worden ist.
2Einigen sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung, so ist der Steuermessbetrag nach Maßgabe der Einigung zu zerlegen.
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R 33.1
Richtlinie
Zerlegung in besonderen Fällen
aufklappen Zuklappen1 1§ 33 GewStG ist eng auszulegen und nur in Ausnahmefällen anzuwenden. 2Die Voraussetzungen des § 33 GewStG sind nicht schon dann gegeben, wenn bei Anwendung des Zerlegungsmaßstabs des § 29 GewStG eine Gemeinde unberücksichtigt bleibt. 3Ein offenbar unbilliges Ergebnis im Sinn des § 33 GewStG ist nur dann gegeben, wenn der Gemeinde durch die Betriebsstätte wesentliche Lasten erwachsen. 4Als wesentliche Lasten sind regelmäßig die sogenannten Arbeitnehmerfolgekosten anzusehen, d. h. die Aufwendungen einer Gemeinde für den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen u. a. m. für die dort wohnenden Arbeitnehmer der Betriebsstätte. 5Entgehende Einnahmen der Gemeinde, die durch die eingeschränkte Möglichkeit der gemeindlichen Weiterentwicklung (z. B. aufgrund des Ausweises von Siedlungsbeschränkungs- oder Bauschutzbereichen) entstehen, können demgegenüber nicht mit effektiven Belastungen der gemeindlichen Haushalte gleichgesetzt werden. 6„Weiche“ Belastungen (Umweltbelastung, Lärm, Schadstoffausstoß, Werteverluste an Grundstücken) stellen keine berücksichtigungsfähigen Lasten dar, da sie nicht quantifizierbar sind. 7Lasten anderer Art, die durch das Vorhandensein einer Betriebsstätte der Gemeinde entstehen, führen nur dann zu einer Unbilligkeit im Sinne des § 33 Abs. 1 GewStG, wenn sie einerseits ins Gewicht fallen und andererseits atypisch sind. 8Eine solche Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles die sich aus dem groben Maßstab des § 29 GewStG allgemein ergebende Unbilligkeit offensichtlich übertroffen wird. 9Ein offenbar unbilliges Ergebnis liegt zum Beispiel vor, wenn bei gewerblicher Vermietung von Ferienwohnungen der Eigentümer seinen Wohnsitz nicht in der Belegenheitsgemeinde hat und dort auch nicht oder nur teilweise tätig ist.
10Hier würde die Belegenheitsgemeinde, der allein durch die gewerblich vermieteten Ferienwohnungen Lasten entstehen, auf Grund der Verteilung des sogenannten Unternehmerlohns im Sinne des § 31 Abs. 5 GewStG, wie sie in R 31.1 Abs. 5 vorgesehen ist, keine oder nur einen Teil der Gewerbesteuer erhalten. 11Bei der Zerlegung ist daher in diesen Fällen § 33 Abs. 1 GewStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass als Zerlegungsmaßstab die Betriebseinnahmen zugrunde gelegt werden. 12Dagegen liegt kein unbilliges Ergebnis vor, wenn so genannte Einobjektgesellschaften ihre gewerblichen Anlagen nicht selbst betreiben, sondern die Aufgabenerledigung durch den Abschluss von Betriebsführungsverträgen sicherstellen und infolgedessen an den Anlagestandorten keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigen. 13Die Gemeinde der Betriebsstätte erhält in diesem Fall im Rahmen der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung des Betriebsführers einen Anteil an dem Gewerbesteuermessbetrag. 14Dass ggf. Pacht- oder Lizenzzahlungen des Betriebsführers an den Betreiber den Gewerbesteuermessbetrag des Betriebsführers mindern, rechtfertigt für sich allein die Anwendung der besonderen Zerlegung nach § 33 GewStG nicht. 15Im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 33 GewStG können ferner solche Lasten nicht berücksichtigt werden, für die der Gemeinde ein Gebührenerhebungsrecht oder zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zustehen.
2 1Eine Einigung im Sinne des § 33 Abs. 2 GewStG ist ein Fall der „Zerlegung in besonderen Fällen“. 2Einer Prüfung durch das Finanzamt, ob die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 GewStG vorliegen, bedarf es nicht. 3Die Zerlegung nach § 33 Abs. 2 GewStG ist, mit Bindungswirkung für die Finanzverwaltung, allein nach Maßgabe der entsprechenden Einigung durchzuführen.
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H 33.1
Hinweise
aufklappen ZuklappenAnspruch auf Beteiligung an der Zerlegung
§§ 4, 28 GewStG geben den Gemeinden, in deren Bereich sich Betriebstätten befinden, keinen unbedingten Anspruch auf Beteiligung an dem Gewerbesteuermessbetrag. Die Anwendung der im § 29 GewStG vorgesehenen Zerlegungsmaßstäbe führt nicht schon dann zu einem im Sinne des § 33 GewStG offenbar unbilligen Ergebnis, wenn dabei eine Gemeinde unberücksichtigt bleibt (BFH vom 13.5.1958 – BStBl III S. 379).
Auslieferungslager
Beschäftigt ein Unternehmer in seinem Auslieferungslager keine Arbeitnehmer, rechtfertigt dies bei der Zerlegung des Steuermessbetrags in der Regel nicht die Anwendung des § 33 GewStG (BFH vom 12.7.1960 – BStBl III S. 386).
Auswirkungen der Änderung eines Gewerbesteuermessbescheids auf einen bereits bestandskräftigen Zerlegungsbescheid
Die Bestandskraft des Zerlegungs-Erstbescheids erstreckt sich nicht auf den in diesem Bescheid angewendeten Zerlegungsmaßstab; sie umfasst den in diesem Bescheid festgestellten Zerlegungsanteil nur nach seinem Betrag. Hinsichtlich des Erhöhungsbetrags können auch bei einer Änderung des Gewerbesteuermessbetrags nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO alle materiell-rechtlichen Fehler des Bescheids zugunsten wie zuungunsten der Gemeinden berichtigt werden (BFH vom 20.4.1999 – BStBl II S. 542, Fortführung des Senatsurteils vom 24.3.1992 - BStBl II S. 869).
Offenbare Unbilligkeit
- Eine offenbare Unbilligkeit ist nur gegeben, wenn der Gemeinde durch die Betriebsstätte wesentliche Lasten erwachsen (BFH vom 12.7.1960 – BStBl III S. 386 und vom 5.10.1965 – BStBl III S. 668).
- Eine Zerlegung kann i. S. d. § 33 Abs. 1 GewStG dann unbillig sein, wenn eine Gemeinde, in der sich eine Betriebsstätte befindet, in erheblichem Umfang die sog. Folgekosten für die Arbeitnehmer der Betriebsstätte zu tragen hat, ohne dass dies im Zerlegungsmaßstab zugunsten der Gemeinde Berücksichtigung findet (BFH vom 26.8.1987 – BStBl 1988 II S. 201).
- Zu Lasten anderer Art
BFH vom 26.8.1987 – BStBl 1988 II S. 201 - Nicht jede offenbare Unbilligkeit, die sich aus dem Zerlegungsmaßstab gemäß § 29 GewStG ergibt, rechtfertigt eine Zerlegung nach einem abweichenden Maßstab. Die Unbilligkeit muss vielmehr erhebliches Gewicht haben und eindeutig und augenfällig sein. Verlagerungen des Gewerbesteueraufkommens infolge einer Organschaft rechtfertigen grundsätzlich kein Abweichen von dem Maßstab des § 29 GewStG (BFH vom 17.2.1993 – BStBl II S. 679 und vom 16.12.2009 – BStBl 2010 II S. 492).
- Der Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Ziff. 2 GewStG steht nicht entgegen, dass die wirtschaftliche Struktur einer Gemeinde von einem Großunternehmen bestimmt wird und der Auf- und Ausbau eines Großunternehmens zu einer starken Vermehrung der Einwohnerzahl und der Aufwendungen für kommunale Einrichtungen führt. Das gilt auch, wenn die Ansiedlung des Großunternehmens den Zusammenschluss einer Anzahl bisher ländlicher Gemeinden und ihre rasche Entwicklung zu einer Industriestadt nach sich zieht und dadurch eine starke Zusammenballung von Kosten verursacht (BFH vom 1.3.1967 – BStBl III S. 324). Eine Zerlegung nach Maßstab der Arbeitslöhne erscheint in diesen Fällen sachgerecht, da der mit dem Bevölkerungszuwachs einhergehende Zuwachs an Beschäftigten auch eine entsprechende Steigerung der Lohnsumme nach sich zieht.
- Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 GewStG dient dazu, offenbaren Unbilligkeiten in einzelnen Ausnahmefällen abzuhelfen. Sie greift nicht ein, wenn die Anwendung des Regelmaßstabs allgemein zu unbilligen Ergebnissen führt (BFH vom 24.1.1968 – BStBl II S. 185).
- Der Umstand, dass eine Betriebstätte mit einer verhältnismäßig geringen Zahl von Arbeitnehmern wegen einer betrieblich bedingten Sicherheitszone ein verhältnismäßig großes Gemeindegebiet beansprucht, rechtfertigt nicht eine vom Regelmaßstab abweichende Zerlegung nach § 33 GewStG (BFH vom 9.10.1975 – BStBl 1976 II S. 123).
- Dem gewerbesteuerrechtlichen Zerlegungsverfahren kommt nicht die Funktion eines kommunalen Finanzausgleichs zu. Es dient allein der Gegenleistung für die Lasten, die sich über die Ausgaben direkt auf die gemeindlichen Haushalte auswirken (BFH vom 9.10.1975 – BStBl 1976 II S. 123 und vom 4.4.2007 – BStBl II S. 836).
Vereinbarter Zerlegungsmaßstab – Einigung aller beteiligten Gemeinden mit dem Steuerschuldner
- Für die Anwendung des § 33 Abs. 2 GewStG genügt es, wenn sich die Gemeinden mit dem Steuerschuldner über den anzuwendenden Zerlegungsmaßstab einigen. Eine Einigung der Gemeinden mit dem Steuerschuldner gem. § 33 Abs. 2 GewStG schließt nicht aus, dass die Beteiligten die Zerlegung mit der Behauptung anfechten, der vereinbarte Zerlegungsmaßstab sei unrichtig angewendet worden (BFH vom 25.9.1968 – BStBl II S. 827).
- Eine Einigung der Gemeinden mit dem Steuerschuldner über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages nach § 33 Abs. 2 GewStG gilt im Zweifel nur für den jeweiligen Erhebungszeitraum (BFH vom 20.4.1999 – BStBl II S. 542).
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