G 1455
1 1Der Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid ist von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. 2Die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlusts beeinflusst. 3§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung gilt sinngemäß.
2 1Zuständig für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10a Satz 4) ist das für den Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zuständige Finanzamt. 2Bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Absatz 10, § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Absatz 2 der Abgabenordnung sowie § 42 der Finanzgerichtsordnung gelten entsprechend. 3Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 2 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe des festzusetzenden Steuermessbetrags unterbleibt. 4Die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes pflichtwidrig unterlassen hat.
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R 35b.1
Richtlinie
Aufhebung oder Änderung des Gewerbesteuermessbescheids von Amts wegen
aufklappen Zuklappen1 1Die Vorschrift des § 35b GewStG enthält eine selbständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung oder Änderung von Gewerbesteuermessbescheiden und Verlustfeststellungsbescheiden. 2Ihre Anwendung setzt nicht voraus, dass sich die Änderungsbefugnis aus anderen Vorschriften, z. B. aus § 173 Abs. 1 oder § 164 Abs. 2 AO, ergibt. 3Sind jedoch zugleich die Voraussetzungen des § 164 Abs. 2 AO gegeben, geht diese Änderungsvorschrift dem § 35b GewStG vor. 4Die Vorschrift des § 35b GewStG kommt hiernach zur Anwendung, wenn
- der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder der Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird,
- die Aufhebung oder Änderung des bezeichneten Bescheids die Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb berührt und
- diese Aufhebung oder Änderung die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst.
5Eine Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids, des Körperschaftsteuerbescheids oder des Feststellungsbescheids ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Anwendung des § 35b Abs. 1 GewStG. 6Dabei ist es einerlei, aus welchen Gründen der Bescheid aufgehoben oder geändert wird (Rechtsbehelfsentscheidung, Berichtigung nach § 129 AO, Aufhebung oder Änderung nach § 164 Abs. 2, §§ 172 und 173 AO).
2 1Sind die in Absatz 1 Satz 4 bezeichneten drei Voraussetzungen erfüllt, wird die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb in dem neuen Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen insoweit berücksichtigt, als sie die Höhe des Gewerbeertrags beeinflusst (§ 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG). 2Der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid kann nur nach § 35b Abs. 2 Satz 2 und 3 GewStG geändert werden, wenn der Gewerbesteuermessbescheid für denselben Erhebungszeitraum nach den Änderungsvorschriften der Abgabenordnung oder nach § 35b Abs. 1 GewStG zumindest dem Grunde nach geändert werden könnte. 3Nach § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ist nicht nur ein geänderter Gewinn, sondern sind auch geänderte Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträge zu berücksichtigen. 4Gegen Bescheide, durch die ein Antrag auf Aufhebung oder Änderung des Gewerbesteuermessbescheids oder des Verlustfeststellungsbescheides nach § 35b GewStG abgelehnt wird, ist der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Nr. 1 AO gegeben.
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H 35b.1
Hinweise
aufklappen ZuklappenAllgemeines
Die Änderung gemäß § 35b Abs. 1 GewStG setzt eine Änderung der Höhe des Gewinns aus Gewerbebetrieb voraus (BFH vom 10.3.1999 – BStBl II S. 475). Der Gewerbesteuermessbescheid ist auch dann von Amts wegen zu ändern, wenn ein bisher als laufender Gewinn bezeichneter Teil des Gewinns in einem geänderten Bescheid als Veräußerungsgewinn behandelt wird, es sei denn, dass es sich um eine Kapitalgesellschaft handelt, bei der der Veräußerungsgewinn zum Gewerbeertrag gehört (BFH vom 30.6.1964 – BStBl III S. 581).
Ändert das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid in der Weise, dass ein bisher als Veräußerungsgewinn behandelter Gewinn aus Gewerbebetrieb nunmehr als laufender Gewinn beurteilt wird, so darf der Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG geändert werden (BFH vom 16.12.2004 – BStBl 2005 II S. 184).
Der Gewerbesteuermessbescheid ist nach § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG auch dann aufzuheben oder zu ändern, wenn die vorausgegangene Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids darauf beruht, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr wie bisher als gewerbliche qualifiziert, sondern einer anderen Einkunftsart zugeordnet wird (BFH vom 23.6.2004 – BStBl II S. 901).
Keine Änderung nach § 35b GewStG
- Wird ein Gewerbesteuermessbescheid selbständig angefochten, darf das Finanzamt diesen Bescheid nicht nach § 35b Abs. 1 GewStG aufheben oder ändern (BFH vom 9.9.1965 – BStBl III S. 667).
- Eine bloße Änderung des gewerblichen Gewinns, die nicht auch eine Änderung des Einkommensteuerbescheids oder des Körperschaftsteuerbescheids zur Folge hat, führt nicht zu einer Änderung nach § 35b Abs. 1 GewStG (BFH vom 2.3.1966 – BStBl III S. 317).
- Eine Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids nach § 35b Abs. 1 GewStG entfällt, wenn in der Gewerbesteuersache bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt (BFH vom 24.10.1979 – BStBl 1980 II S. 104).
- Die nach Maßgabe des § 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG zu berücksichtigende Gewinnänderung beeinflusst dann nicht die Höhe des Gewerbeertrags, wenn sie auf verfahrens- oder materiell-rechtlichen Regelungen beruht, die allein für die Festsetzung der Einkommensteuer von Bedeutung sind (BFH vom 13.11.1991 – BStBl 1992 II S. 351).
Kleinbetragsverordnung
Festgesetzte Gewerbesteuermessbeträge werden zum Nachteil des Steuerpflichtigen nur geändert oder berichtigt, wenn die Abweichung zur bisherigen Festsetzung mindestens 2 EUR beträgt (§ 2 der Kleinbetragsverordnung vom 19.12.2000 – BGBl. I S. 1790).
Verfahrensvorschriften
- Wird ein unanfechtbarer Gewerbesteuermessbescheid oder ein unanfechtbarer Verlustfeststellungsbescheid nach § 35b GewStG geändert, gilt für den geänderten Bescheid § 351 Abs. 1 AO (BFH vom 1.3.1966 – BStBl III S. 331).
- Ergeht ein Einkommensteuerbescheid innerhalb der Frist des § 171 Abs. 9 AO, kann das Finanzamt einen Gewebesteuermessbescheid, soweit § 35 GewStG greift, auch nach Ablauf der Frist des § 171 Abs. 9 AO ändern (§ 171 Abs. 10 AO) (BFH vom 21.4.2010 – BStBl II S. 771).
Wirkungsweise der Änderung
Die auf einer Änderung des Gewinns im Einkommensteuerbescheid, Körperschaftsteuerbescheid oder Feststellungsbescheid beruhende Änderung des Gewerbesteuermessbescheids gemäß § 35b GewStG führt nicht schlechthin zu einer Wiederaufrollung des gesamten Falles (BFH vom 11.10.1966 - BStBl 1967 III S. 131). Die bei der früheren Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags vorgenommenen Hinzurechnungen und Kürzungen bleiben deshalb unverändert, es sei denn, dass diese nach Grund und Höhe von der Gewinnänderung unmittelbar berührt werden (BFH Urteil vom 20.1.1965 – BStBl III S. 228).
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